Das Sgrafitto-Kunstwerk „Familie“ in Geistenbeck – Darstellung ist ein zeittypisches Dokument aus den 1950er Jahren.
Das Sgrafitto-Kunstwerk „Familie“ auf der zum Stapper Weg hin gelegenen Giebelwand der Grundschule Steinsstraße ist ein Beispiel für ein typisches Gestaltungsmerkmal in der Architektur der 1950er Jahre. Entstanden ist es bei der Errichtung des Erweiterungsbaus für die damalige katholische Volksschule Geistenbeck, der – wie Franz Rixen im Laurentiusboten berichtet – am 6. Juli 1952 eingeweiht und seiner Zweckbestimmung übergeben wurde.
In den Nachkriegsjahren war die allgemeine Erkenntnis vorherrschend, dass Kunst auf allen Gebieten sich neu orientieren musste. Man wollte einmal die damals weitgehend arbeitslose Künstlerschaft fördern, um die öffentlichen Haushalte zu entlasten, und zum anderen sollte die bildende Kunst einen Erziehungseffekt ausüben, indem die Kunstwerke der Jugend Wert- und Lebensorientierung vermittelten. So hat in Nordrhein-Westfalen der Minister für Wiederaufbau in Abstimmung mit dem Finanzminister bereits am 8.10.1949 eine Verfügung erlassen, die „die Vergebung von Aufträgen an bildende Künstler und Kunsthandwerker im Rahmen der staatlichen Bauausführungen“ regelt. Darin ist vorgeschrieben, dass ein Teilbetrag der Bausumme für die Beauftragung von Künstlern verwendet werden muss. Auf dieser Grundlage ist bei der Errichtung des Erweiterungsbaus der Auftrag für die künstlerische Gestaltung des Giebels an den Rheydter Künstler Georg Neugebauer vergeben worden.
Das Kunstwerk stellt in der Technik eines Sgrafitto eine Familie dar. Nach der Zielsetzung der Förderung und dem damaligen Kunstverständnis musste ein Kunstwerk am Bau in der Formensprache verständlich und in der Aussage deutlich gestaltet sein. Deshalb entsprachen viele Kunstwerke eher einem konservativen Geist und glichen dekorativen Wandmalereien. Insoweit ist die Darstellung der Familie – wie auch Dr. Karl Heinz Schumacher von der unteren Denkmalbehörde bestätigt – ein zeittypisches Dokument.
Sgrafitto ist eine historische Putztechnik zur Bearbeitung von Wandflächen, die vor allem in Italien des 16. Jahrhunderts angewendet wurde. Die Bezeichnung leitet sich von dem italienischen Verb sgraffiare, in deutsch kratzen, ab. Es werden mehrere eingefärbte Putzschichten übereinander aufgetragen. Der Stukkateur kratzt partiell die Putzschichten ab und legt die darunter liegenden und andersfarbigen Putzschichten entsprechend dem künstlerischen Entwurf frei. Die so entstandenen Darstellungen sind farbecht und sehr witterungsbeständig.
Der Künstler Georg Neugebauer ist 1889 in Bautzen/Sachsen geboren. Er absolvierte von 1904 bis 1914 ein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Dresden. Er war Meisterschüler von Geheimrat Gotthilf Kuchl und Eugen Bracht. Von 1918 bis 1943 betätigte er sich als freischaffender Künstler in Dresden. 1933 erhielt er den Preis der Ilger-Stiftung. Ab 1946 wohnte er in Rheydt. Er verstarb 1974.
Kunst am Bau gibt einem Gebäude Atmosphäre und Unverwechselbarkeit und spiegelt die Persönlichkeit und Kreativität des Künstlers wieder. Meinen Sie das nicht auch? Wir sollten an unseren Kunstwerken nicht achtlos vorüber gehen und immer wieder einen Blick tun, um immer wieder neue Sichtweisen zu entdecken. Schauen Sie doch einfach die „Familie“ in Geistenbeck an.