Eine Verbannung und ein Todesurteil in Abwesenheit
Hoch spannend verlief in diesem Jahr das X. Vogtgeding der Neuzeit auf dem Kirmesplatz in Geistenbeck: Ein Kampf um das Amt des Vogtes, ein Urteil für einen mehr Geld fordernden Schulmeister, ein trotz des Beichtgeheimnisses erklärtes Geständnis von Bruder Thomas dem Reinen und eine unerwartete Wendung des Geschehens mit Aufklärung einer Freiheitsberaubung und harten Strafen für die Schuldigen. Das alles erlebten die Zuschauer und erfreuten sich an der lebhaften Verhandlung, die mit vielen witzigen und auch derben Wortspielen gespickt war.
Die Geistenbecker standen vor einem Dilemma, weil der langjährig amtierende Vogt Egon der Nahe-zu-immer-Gerechte seit einem Jahr und einem Tag nicht mehr gesehen wurde. So marschierte als Vogtersatz Eberhard der Eingesprungene mit dem Notarius, dem Schöffen und dem Schwatten Michel in die Gerichtsstätte, wo sie von Großbauer Hartmut empfangen wurden. Da ertönte plötzlich eine Stimme im Publikum: „Halt! Haltet ein! Das ist Amtsanmaßung, das ist Anarchie ……..und so gemein!“. Vogt Egon stürmte auf die Bühne und erklärte seinem Vertreter: „ Ein Jahr und einen Tag war ich eingekerkert, bis ich mich mit eigenen Händen und einem Löffel habe freibuddeln können“.
Die Bemerkung des Notarius und des Schwatten Michels, dass das Freibuddeln noch 29 Jahre schneller war als der Bau des Geistenbecker Rings und er froh sein kann, nicht auf Wasser gestoßen zu sein, ignorierte Vogt Egon und erklärte, dass er der Vogt von Geistenbeck sei und bleibe, bis ihn die höchste Instanz abberufe. Eberhard der Eingesprungene gab nicht auf und forderte seinen Kontrahenten zu einem Wettstreit heraus. Beide Kontrahenten sollen einen Rechtsfall entscheiden, und die Geistenbecker sollen entscheiden, wer wie Salomon weise entscheide und Vogt sein soll.
So war zunächst der Fall des Schulmeisters Rainer mit der schnellen Rute zu entscheiden, der mehr Geld für medizinische Zwecke und Ärzte forderte. „In der guten alten Zeit war der Schulmeister noch Respektsperson. Wer ihm frech kam, kriegte fünf mit der Rute auf den blanken Hintern und gut war`s“. Er schilderte, dass er sich nicht traue, Schülern eine schlechte Note zu geben. Er habe Angst vor den aggressiven Eltern, die überall seien. Vogt Egon urteilte, dass der Fall nicht Sache der Justiz sei und der Schulmeister sich mit Anstand und Würde in sein Schicksal fügen solle. Vogt Eberhard entschied, dass der Schulmeister seine Rute schrankenlos walten lassen solle und den Beistand der Hellebarden nutzen könne.
Mitten in seinem Triumph rief Bruder Thomas der Reine aus der Menge, nicht länger schweigen zu können. Er erklärte schließlich ohne an das Beichtgeheimnis gebunden zu sein, dass jemand ihm anvertraut, einen anderen ein Jahr und einen Tag gefangen gehalten zu haben. Vogt Egon erkannte, dass von ihm die Rede war. Auf hartnäckige Nachfrage nannte Bruder Thomas den Büttel Rolf. Ihm wurde Advocatus Martinus summa cum Koma zur Verteidigung zugeteilt, der für seinen Mandanten die Kronzeugenregelung, volle Immunität für alle Straftaten, erreichte. Unter diesem Schutz sagte Büttel Rolf aus, Vogt Egon in seinem Keller gefangen gehalten zu haben, aber von Vogt Eberhard, der sich inzwischen davon gemacht hatte, angestiftet worden zu sein. Dann das Urteil: „Büttel Rolf, bestrafen darf ich Dich nicht, habe ich Dir doch Immunität zugesichert. Doch auf ewig verbanne ich Dich. Hinweg mit Dir“. Und weiter: „Eberhard der eingesprungene, künftig nun Eberhard der Entsprungene genannt, wird in Abwesenheit zum Tode verurteilt. So er aufgegriffen wird, soll er durch 10 barbusige Blondinen über die Klippen des Papierbachs gestürzt werden“.
Trotz der Kälte kamen zahlreiche Zuschauer, um die Errichtung des Zunftbaumes der St. Josef Schützenbruderschaft, die als Vorbereitung auf das Schützenfest am Wochenende nach Pfingsten gilt, zu erleben sich das Vogtgeding nicht entgehen zu lassen.
2016-05-15 ek.